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  • AutorenbildUlla Grans

„Wir trafen uns in einem Garten“



In den letzten Monaten ist die Nachfrage für Paarcoaching und ,-beratung stark gestiegen. Unstimmigkeiten, die vor der Pandemie schon unter der Decke lagen, sind plötzlich an die Oberfläche gekommen und lassen sich nicht mehr wegretuschieren. Gefühle, die der eine oder die andere schon leise in sich spürten, werden plötzlich laut und möchten gehört werden.


Jetzt möchten Mann und Frau endlich wieder Leben.


Genuss, Lust, Spaß und Liebe sollen wieder Einkehr halten, nach dem langen Lockdown, nach Krankheit, nach Homeschooling und Homeoffice. Zuviel Nähe in schweren Zeiten kann der Beziehung halt auch schaden.

„Ich will das so nicht mehr!“, ist ein Satz, den ich häufig höre.

Oft ist einer schneller in der Veränderung als der andere und der andere kommt nicht mehr mit. Letztlich beschrieb eine Frau die Beziehung als Autobahn. Sie sei schon weit vorne weggefahren und ihr Partner sei abgehängt. Die spannende Frage ist hier, ob sie schon die nächste Ausfahrt genommen hat oder ob sie ihren Mann noch im Rückspiegel sehen kann?


Doch wie kann es gelingen, wieder gleichauf zu sein auf der Paar-Autobahn?



Zunächst hilft es, sich daran zu erinnern, wie es war, als man sich kennengelernt hat. Dann leuchten die Augen, Gefühle driften an die Oberfläche und lassen für einen Moment die Gegenwart verblassen.


Denn jedes Paar hat sich irgendwann einmal in seinem ganz eigenen Garten getroffen. Dort wo die erste Begegnung stattfand.

War es in einem Bus? Oder in der Firma?

Oder gab es eine vorsichtige Phase aus der Ferne?

Wer hat den ersten Schritt getan?

Und wie sah es in euch aus?

Hat er dir den Atem genommen?

Hat sie dein Herz zum Stottern gebracht?

Wieviel tausend Schmetterlinge sind in eurem Garten geflogen?

Was war euer gemeinsamer Fixpunkt am Horizont?


In jeder Beziehung, die sich für mindestens einen der beiden nicht mehr gut anfühlt, gibt es den „one point of no return“. Den Punkt, an dem der/die andere den einen Satz gesagt, eine Geste zu viel gemacht hat, einen Augenaufschlag, der falsch interpretiert wurde….und zack – hat einer seine innere Gartentüre zugemacht.


Sie ist ins Schloss gefallen. Zu. Und jetzt?


Dann fahren die Gefühle Achterbahn. „Das ist alles ein einziges Trümmerfeld.“, höre ich den Mann sagen. „Ich weiß gar nicht, wie es weiter gehen soll.“

Das fühlt sich an, als ob man plötzlich auf einem Floß im Meer steht und den Horizont nicht mehr erkennen kann.


Das kann, so paradox sich das anhört, genau der Punkt zur Veränderung sein. Der Punkt, an dem das Paar bereit ist, sich wieder zuzuhören, sich anzuschauen im Gespräch, zu lauschen, was der andere da eigentlich genau meint. Das ist der Punkt, wo beiden klar wird, wir müssen uns verändern und an uns arbeiten. Denn nur dann können gemeinsam Antworten auf offene Fragen gefunden werden. Übergeht man diesen Punkt, schlittert das Paar in der Regel ins Aus.


Wann ist der gemeinsame Garten verwildert? Wann gab es keine Zeit mehr zum Wässern der Blumen, zum Säen von Pflanzen, zum Träumen von neuen Projekten im Garten. Wann hat man zuletzt den Garten genossen und einfach mal inne gehalten im täglichen Rush?


Veränderung beginnt immer da, wo man für sich selbst spürt, dass es so nicht mehr weiter geht. Manchmal muss der Körper in Form von Migräne, Bauchschmerzen, Ohrensausen, Schlaflosigkeit oder ähnlichem, nachhelfen. Manchmal ist das Gras in einem anderen Garten viel grüner und einer von beiden verirrt sich dort. Manchmal liegt einfach alles brach und fühlt sich so leblos an, als ob ein großes Spinnengewebe sich über dem Garten gewoben hat. Manchmal finden Ereignisse im Außen statt, die einen zusammenschrecken lassen.


Es gibt viele Gründe, um aufmerksam zu werden. Wichtig ist, diese ernst zu nehmen und nicht über die innere Stimme hinweg zu gehen. Das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden, ist eine große Herausforderung in Paarbeziehungen. Oftmals wurden bestimmte Bedürfnisse gar nicht miteinander besprochen, weil der andere das ja vermeintlich schon weiß….

Überhaupt wird vor allem in langjährigen Beziehungen oftmals vorausgesetzt, dass der andere die Gefühle, Empfindungen, Träume und Wünsche ja weiß, weil man ja schon so lange zusammen ist und sich in und auswendig kennt.

Das ist ein großer Irrglaube und vielleicht die größte Falle in Paarbeziehungen!


Gönn deinem Partner/ deiner Partnerin einen Satz! Auch zwei!


Auch wenn man sich schon lange kennt und sein Leben miteinander verbracht hat, heißt das nicht, dass man alles über den anderen weiß! Seid wieder neugierig aufeinander. Fragt nach. Sprecht auch unangenehme Themen an. Die Gefühle von Scham oder Schmerz, die dann eventuell aufkommen, gehen auch wieder. Gefühle bleiben nicht für ewig. Traut euch wieder, den anderen wirklich anzusehen, zuzuhören und wieder aus der Ferne zu betrachten.





Nehmt euch frische Blumenerde, Pflanzen, Samen und geht in euren Garten und macht ihn euch richtig schön. Der Garten muss nicht genauso wie früher aussehen. Vielleicht habt ihr neue Ideen der Gartengestaltung? Und dann trefft euch dort und schaut mal, was so passiert.


Holt euch Unterstützung, wenn ihr merkt, dass ihr es alleine nicht schafft. Das ist immer dann der Fall,

wenn du nachts nicht mehr gut schläfst,

wenn du häufig an Trennung denkst,

wenn du neben dir stehst und nur noch beobachtest,

wenn du heimlich nach Wohnungen schaust,

wenn du Nähe nicht mehr ertragen kannst,

wenn dich eine tiefe Trauer überfällt,

wenn du einfach nicht mehr du selbst bist.



„Ich weiß nicht ob du mich verstehst

Oder ob du denkst ich spinn

Weil ich immer wenn du nicht da bist

Ganz schrecklich einsam bin“


(aus: Wir trafen uns in einem Garten. Inga Humpe)



Ich wünsche euch einen wunderschönen Sommer in eurem gemeinsamen Paar-Garten!

Pflanzt! Sät! Wässert! Es lohnt sich!


Herzlich, Eure Ulla

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