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AutorenbildUlla Grans

Deine Heldin von nebenan

Im Rahmen von Angela Merkel´s Abschied aus dem Kanzleramt, ging dieser Musiktitel durch die Gazetten, wurde besprochen, kritisiert, rezensiert. Ein Raunen ging durch die Republik. Journalisten fragten nach dem Sinn dieser Auswahl zum Zapfenstreich. Das Bundeswehrorchester musste schnell noch Noten schreiben lassen.


Da war es plötzlich – dieses Gefühl. Mein Gefühl von, „Natürlich geht das und zwar genauso!“.

Ich war bei diesen Diskussionen innerlich ganz woanders. Ich saß gedanklich bei meiner großen Schwester im Zimmer. Es ist 1980 im Keller einer Kleinstadt im Bergischen Land. Es riecht nach Patchouli und Räucherstäbchen. Es gibt Vanilletee in einem Teeservice serviert. Meine Schwester ist bunt, laut, wild. Aus ihrem Kofferplattenspieler schallt mit schlechter Klangqualität, dafür aber sehr laut, Nina Hagen! Ich bin verwirrt und gleichzeitig fasziniert von dieser grellen Stimme, den schrägen Tönen, ihrem schwarzen Kajal als Lippenstift und von diesen unverschämten Texten. Das war eine neue Welt für mich. Von da an war irgendetwas in mir angesteckt, was ich mit elf Jahren noch gar nicht greifen konnte.




Mich umgaben bis dahin vor allem Frauen, die in ihren Rollenmustern steckten, ihren Männern die Rücken freihielten und ihre eigenen Träume vor neugierigen Blicken versteckten. Sie nahmen für sich nicht das Recht in Anspruch, ihr Leben nach ihren eigenen Bedürfnissen auszurichten.




Doch Nina und Claudia zeigten mir, es geht auch anders! Wir Frauen können auch anders denken, fühlen und sein. So wurden meine große Schwester und Nina zu meinen Wegbereiterinnen, Vorkämpferinnen und Idolen. Ich verkleidete mich Karneval als Nina Hagen mit diesen schwarzen Kajallippen und einige Zeit später war dieses Outfit keine Verkleidung mehr. Ich verbrachte viel Zeit bei meiner Schwester, fand ihre Freunde toll und schaute mir das Spektakel, was sie immer machte, aus der Ferne, aber sehr interessiert an. Und ich hörte heimlich im Keller, wenn meine Eltern gerade nicht da waren, Nina Hagen. „Warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüllen? Für wen? Für die? Für dich? Für mich? Ich hab keine Lust meine Pflicht zu erfüllen.“ Ich verstand nicht alles, was sie da so sang, aber ich spürte, dass das etwas war, was es vorher so noch nicht gegeben hatte.




Als ich nun Nina Hagen, gespielt vom Bundeswehrorchester hörte, musste ich doch grinsen und gleichzeitig freute ich mich darüber. Nicht, weil ich der Partei von Angela Merkel nahestehen würde. Nein, weil eine Frau sich traut, bei ihrem Amtsaustritt nach 16 Jahren Kanzlerschaft sich diese Art von Musik zu wünschen.

Das wäre 1980 unmöglich gewesen. Eine Frau als Kanzlerin. Nina Hagen beim Zapfenstreich.

Und überhaupt war zu dieser Zeit noch so einiges unmöglich.


Für mein Leben waren diese Stunden im Zimmer meiner Schwester wichtig und wegweisend, im Sinne von Freiheit spüren, Veränderung leben,Träume ausprobieren auch gegen den Willen meiner Eltern. Mir war das damals nicht bewusst und ich kann heute diese Ereignisse in meinen Kontext einordnen und aus einer generösen Sichtweise sehen.

Ich bin mir ganz sicher, dass wir inspirierende Vorbilder brauchen, um zu wachsen, zu gedeihen, um uns zu verwirklichen, um mutig unseren Weg zu gehen.

Im Laufe der Geschichte gab es zahlreiche besondere Frauen, die durch ihre Ideen, ihr Talent, ihre Durchsetzungskraft und ihre außergewöhnliche Art, viel bewegt haben und uns heute noch inspirieren. Von Virginia Woolf bis Peggy Guggenheim. Von Frida Kahlo bis Patti Smith. Von Else Lasker Schüler bis Malala.


Aber warum eigentlich in die Ferne schweifen?

Wer fällt dir ein? Wer war die Frau deines Lebens? Wer hat dich in deinem Umfeld inspiriert? Wer ist deine Heildin von nebenan?

Das können Mütter sein, Freundinnen, Wegbegleiterinnen.


Diese Frage klingt so simpel, ist aber eigentlich schwer zu beantworten. Deshalb denken wir dabei zunächst an berühmte Persönlichkeiten. Die sind so schön weit weg und lassen uns selbst in der Komfortzone zurück. Aus der Distanz erkennt man nicht, wo die Zweifel und Untiefen der Person liegen, wann der Erfolg eigentlich einsetzte und wer in ihrer Familie ihre Unterstützerin war. Sie bleiben für uns damit unerreichbar und somit auch faszinierend in ihrer Art.

Die Frauen in unserer Umgebung inspirieren uns vielleicht nur in Teilbereichen. Die eine kann gut organisieren, die andere ist voller Herzenswärme, die nächste ist technikaffin und deine Nachbarin hat die besten Plätzchenrezepte. Eine weitere Frau in deiner Nähe hat guten Kontakt zu ihrem, vielleicht nicht makellosen, Körper und deine Kollegin arbeitet in vier Stunden das weg, wofür andere 8 Stunden benötigen.


So können wir uns aus den verschiedenen Facetten der Heldinnen in unserem direkten Umfeld das heraussuchen, was zu uns und unserer Persönlichkeit passt.
Wir können darüber in den Kontakt gehen und nachfragen, diskutieren, uns füreinander interessieren.

In meinem Frauennetzwerk „Ruhrpreneurs“ sind über 200 inspirierende Frauen, die sich entweder gerade auf den Weg machen oder schon Unternehmerinnen sind. Das sind 200 Mal geballte Power aus den verschiedensten Businessbereichen. Sie alle sind Heldinnen. Sie alle gehen auf ihre Art und Weise ihren Weg zu ihrem Erfolg. Ja, sie straucheln auch mal, erleben Schicksalsschläge und sie verlässt auch schon mal ihre Power. Aber genau dann, ist es so so wichtig, starke Frauen in der Nähe zu wissen und sich gegenseitig die Krone zu halten. Denn wenn wir uns auf unseren Wegen gegenseitig unterstützen, können unglaubliche Dinge entstehen und in die Welt gebracht werden.



Die Weihnachtszeit bietet sich geradezu an, deiner Heldin einmal ein Zeichen zu geben, ihr „Danke“ zu sagen oder ihr überhaupt erstmal zu sagen, dass sie deine Heldin ist. Vielleicht liegt die Erinnerung schon einige Jahrzehnte zurück und du musst erst ein wenig graben oder sie kommt durch ein Ereignis an die Oberfläche. So wie Nina Hagen plötzlich wieder auf der Matte, beziehungsweise auf meiner Mattscheibe stand und mich daran erinnerte, dass sie ein Teil des Frauenbildes ist, welches sich damals in meiner Pubertät erst vorsichtig entwickelte.




Und wenn ich dann so schaue, welche Frauen mich auf meinem Weg aus der Nähe und der Ferne inspiriert haben, dann sind das schon einige.

In diesem Sinne, vielen Dank Nina!

Und euch ein wundervolles Weihnachtsfest und grüßt mir eure Heldinnen!

Herzlich, Eure Ulla





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